6.11.2003 Interview mit der “Junta de Buen
Gobierno” im Caracol Morelia (“Torbellino de nuestras palabras”) von Katia
Schätzle und Luca Martinelli Heute, am 17. November,
dem 20-jährigen Geburtstag der EZLN, wollen wir sozusagen als
Geburtstagsgeschenk für uns alle UnterstützerInnen ein Interview mit einer
der Juntas de Buen Gobierno von San Cristobal zu Euch nach Deutschland
schicken. Die Vorbereitungen in den fünf Caracoles für die Festlichkeiten
haben schon lange begonnen, und wie seit dem Kommuniqué vom 10.11.2003
seitens der ”Comandancia” der Zapatistas bekannt ist, wird das Fest unter
Ausschluß der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft stattfinden.
Eingeladen sind die Bases de apoyo (= zapatistische Unterstützungsbasen) und
die Comunidades en resistencia (= Gemeinden im Widerstand ). Die fünf
Caracoles werden ebenso wie die Gemeinden mit mehrheitlich zapatistischen
BewohnerInnen vom 15. bis zum 20. November geschlossen sein. Am 6. November
besuchten wir den Caracol “Torbellino de nuestras palabras” (Muc’ cul Puy
Zutu´lk Ju´un lc’ optic), um ein Interview mit der Junta de Buen Gobierno
”Corazon del Arco Iris de Nuestra Esperanza” drei Monate nach der Geburt
derselben im August dieses Jahres in Oventik zu führen. Die Caracoles
wurden gegründet um “Türen zu sein, damit man in die Comunidades ein und aus
ihnen heraustreten kann, aber auch, damit die Comunidad nach außen treten
kann, es sollen Fenster sein, durch die man nach innen und außen schauen
kann, wie ein Signal, damit man sowohl uns von weit weg hören kann, als auch
wir diejenigen Stimmen vernehmen können, die von weit her erklingen.” (Aus
dem Kommuniqué „Chiapas. Die dreizehnte Stele. Teil drei: ein Name“. In: Subcomandante
Marcos: Der Kalender des Widerstandes. Zur Geschichte und Gegenwart Mexikos
von unten. Frankfurt a.M. 2003) Im Rahmen
dieses Gesprächs haben uns die Compañer@s Zapatistas gebeten, ihre Worte an
ihre und unsere europäischen Brüder und Schwestern weiterzugeben... WIE
FUNKTIONIERT DIE JUNTA DE BUEN GOBIERNO DREI MONATE NACH IHRER GRUENDUNG? WIE
IST DIESE JUNTA ORGANISIERT? Wir als Junta
de Buen Gobierno arbeiten permanent hier in diesem Büro, d.h. wir sind von
morgens früh bis abends spät präsent, um alle Angelegenheiten, die uns hier
vorgetragen werden, versuchen zu lösen. Die Junta de Buen Gobierno besteht aus 14 Repräsentanten der sieben autonomen Gemeinden (Municipios) der Region, sprich 2 Personen, die aus dem jeweiligen “Gemeinderat” (Consejo municipal) gewählt werden, und denen man die Kapazität, die jeweiligen Probleme zu lösen, zuspricht. Wir arbeiten
in “Wochenschichten”, d.h. jeden Sonntag wechselt die Junta und 14 andere
Repräsentanten finden sich im jeweiligen Caracol ihrer Region ein. Wir hier
präsent, auch wenn wir damit natürlich ein Risiko eingehen, aber wir wollen
uns auf jeden Fall verteidigen. In dem Fall, dass sie uns eines Tages
angreifen, brauchen sie gar nicht zu glauben, dass die Junta damit
verschwindet! Wenn sie einen von uns ins Gefängins werfen, sind wir trotzdem
noch hier, und wir werden weitermachen. Hinter uns stehen viele, die
denselben Weg weitergehen können. Auch wenn in dieser Zone hier heute das
Militär weniger präsent ist, ist die Situation in der Selva momentan extrem
gespannt. BESTEHEN
VERBINDUNGEN, UND FALLS JA, WELCHER ART SIND DIE VERBINDUNGEN MIT DEN ANDEREN
JUNTAS DE BUEN GOBIERNO? Unsere
Verbindungen mit den anderen Juntas sind nicht permanenter Art, sondern nur
im Falle, wenn Probleme auftauchen. Jede der fünf Juntas organisiert ihren
Arbeitsplan auf selbstständige und unabhängige Art und Weise. WELCHE NEUE BEZIEHUNG BESTEHT
MIT DEN STAATLICHEN INSTITUTIONEN, WIE Z.B. DEN STADT- UND GEMEINDERÄTEN? Auch zu den
verschiedenen öffentlichen staatlichen Institutionen besteht kein permanenter
Kontakt. Nur im Fall von Problemen kommunzieren wir, wie zum Beispiel im Fall
der Gemeinde Miguel Hidalgo, in der am 4. September einige unserer Compañeros
festgenommen worden sind. Sie wurden beschuldigt, illegal Holz geschlagen zu
haben und sind ins CERESO NO.5 (Anmerkung der Übersetzerin: das Gefängnis von
San Cristobal, in dem sich die meisten politischen Gefangenen befinden)
gebracht worden. Die autonomen zapatistischen Behörden haben sich ebenfalls
dort eingefunden, um mit dem Öffentlichkeitsminister zu sprechen und die
Freilassung der Compañeros zu verlangen, die auf einer Erlaubnis basiert und
den Gefangenen von den autonomen zapatistischen Behörden ausgestellt worden
war. Dieses Dokument erlaubt den Compañeros das Schlagen von Holz in dem
Gebiet der autonomen Gemeinde,
sofern es lediglich für den Gebrauch im Haus bestimmt ist. Aufgrund dieser
Erlaubnis durch die Junta de Buen Gobierno wurden die Compañeros schließlich
freigelassen, was de facto eine reelle rechtliche Anerkennung der Junta
seitens der Regierungsautoritäten darstellt. Ebenso gab es
bereits einige Zusammenkünfte mit den offiziellen Präsidenten verschiedener
Gemeinden, die hierher gekommen sind, um mit uns zu sprechen und
Angelegenheiten im Agrarbereich zu lösen. In all diesen Fällen hat die Junta
ihre Bereitschaft und Fähigkeit demonstriert, verschiedenste Probleme zu
lösen. WIE SIND DIE BEZIEHUNGEN ZU
DEN INDIGENAS, DIE KEINE ZAPATISTAS SIND UND IN DEN GEBIETEN LEBEN, IN DENEN
DIE JUNTA REGIERT? WIE REAGIEREN SIE AUF DIESE NEUE REGIERUNGSFORM UND WIE
GEHEN SIE MIT EUCH ALS REGIERUNGSAUTORITÄT UM? Wir von der
Junta sehen, dass auch die Indígenas, die keine Zapatistas sind, hierher zu
uns kommen, wenn sie Hilfe bei der Lösung eines Problems brauchen. Sie haben
im allgemeinen positiv auf uns reagiert und akzeptieren unsere Art und Weise,
Konflikte zu lösen. Mit der guten Arbeit der Juntas der Guten Regierung haben
sich die Beziehungen zwischen den verschiedenen Sektoren der Gesellschaft
verbessert, und damit wurde gleichzeitig eine Annäherung an die Regierung
gebremst. EINES DER PROBLEME, ÜBER DIE
IN DEN COMUNICADOS VOR DEN FESTLICHKEITEN VON OVENTK VIEL GESPROCHEN WURDE,
WAR DIE UNGLEICHE ENTWICKLUNG UND VERTEILUNG VON SPENDEN IN DEN VERSCHIEDENEN
AUTONOMEN GEMEINDEN. WIE GEHT IHR MIT DIESEM PROBLEM UM? WIE IST EURE
EINSCHÄTZUNG, WAS DIE NEUE ART BETRIFFT, MIT DEN NATIONALEN UND
INTERNATIONALEN NICHTREGIERUNGSORGANISATIONEN (ONGs) ZU KOMMUNIZIEREN?
VERBESSERT DIE MOEGLICHKEIT, ENGERE PERSÖNLICHE BEZIEHUNGEN ZU SCHAFFEN, DIE
ENTWICKLUNG GEMEINSAMER PROJEKTE IM RAHMEN DES AUTONOMIEPROZESSES? Die Junta weiß
um die Notwendigkeiten und Mängel, die in den Comunidades bestehen, und
verteilt die Mittel, die vorhanden sind, um somit eine ausgewogenere
Entwicklung zu schaffen. In den Jahren nach 1994 haben viele Organisationen
der Zivilgesellschaft mittels ONGs unseren Kampf und unsere Arbeit unterstützt, aber leider sind
viele der Spenden nie in den Gemeinden angekommen. Die Möglichkeit, durch die
Caracoles einen direkteren und persönlichen Kontakt mit der Zivilgesellschaft
zu schaffen, führt zu einer besseren Zusammenarbeit und zu mehr Vertrauen auf
beiden Seiten. Die zivilen Organisationen können so direkt die Arbeiten und
Projekte sehen, die von ihnen
mit unterstützt wurden. Genau so wollen wir auch weitermachen, auch
wenn wir uns so täglich mit vielen Menschen und vielen verschiedenen
Angelegenheiten konfrontiert sehen. Wir versuchen, uns um alle zu kümmern.
Vorher gab es viele, die sich als Zapatistas ausgaben, auch wenn sie keine
waren; einfach nur, um von den Spenden zu profitieren. Jetzt kommen alle
Projekte zunächst bei der Junta an und werden mit uns besprochen, wodurch
mehr Vertrauen geschaffen wird, da wir uns persönlich gegenüberstehen. Der
persönliche Kontakt hat die Beziehungen maßgeblich verändert, das betrifft
vor allem auch die nationale und internationale Zivilgesellschaft... +-+-+-+-+ Am Ende
unseres Interviews bat die Junta de Buen Gobierno uns, ein wenig darüber zu
erzählen, wie die Neuigkeiten bezüglich der Veränderungen des
Autonomieprozesses der Zapatistas in unseren Ländern aufgenommen wurde, was
ein perfektes Beispiel für die neuen Möglichkeiten des persönlichen Kontaktes
darstellt. Sie
verabschiedeten uns mit den Worten, ”unsere internationalen Brüdern und
Schwestern zu motivieren, gegen die neoliberalen Pläne weiterzukämpfen,
anstatt alles schweigend hinzunehmen, denn der neoliberale Plan will uns tot
und nicht lebendig. Aber nein, wir sehen bereits, dass wir mit den Schritten,
die wir gehen, überleben können und Fortschritte erzielen. Was wir euch als
Übermittler, die ihr bis hierher zu uns gekommen seid, bitten ist, dass ihr
euren Brüdern und Schwestern von dieser Organisation erzählt, und dass wir
uns weiterhin organisieren, da wir denen die nach uns kommen ein Erbe
hinterlassen müssen. Denn wenn nicht, werden unsere Kinder noch mehr leiden,
als wir es jetzt tun. Wir schicken einen Gruss im Namen aller Brueder und Schwestern der Zapatistas, und zwar mit erhobenem Haupt, denn wir denken nicht daran, auch nur einen Schritt zurückzugehen; wir blicken nach vorne und wir werden nach vorne gehen.” -> Startseite Gruppe
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